Was wurde aus 2.250 Unterschriften?

2.250 Unterschriften für den „Radweg Krottenbachstraße jetzt“, die größte Petition, die Döbling je erlebt hat, hat Wirkung gezeigt. Am 2. Juli 2021 wurde diese im Petitionsausschuss der Stadt Wien behandelt und wir waren zur Stellungnahme eingeladen. Inzwischen liegt das Protokoll mit den Beschlüssen öffentlich vor. Hier ein Bericht über die Ergebnisse und unten die Details zu den Stellungnahmen.

 

Handlungsbedarf erkannt, Umsetzung noch in Diskussion

Das Ergebnis vorneweg: Der Ausschuss spricht eine Empfehlung an die zuständige amtsführende Stadträtin für Innovation, Stadtplanung, Mobilität Mag.a Ulli Sima aus, auf die Anliegen der verschiedenen Interessensgruppen einzugehen und ein konsensfähiges Projekt zu gestalten.

Ebenso wurde beschlossen, die Behandlung der Petition „begründet abzuschließen, da aktuell Varianten für Radfahrpläne sowie Verbesserungen der Bedingungen für Rafahrer*innen in diesem Stadtteil, unter Bedachtnahme der verkehrspolitischen Ziele der Stadt Wien geprüft werden“. Damit ist die Stadt Wien zur konkreten Planung eines Radverkehrsprojektes im Krottenbachtal aufgefordert.

 

Wie ist der Erfolg unserer Petition zu bewerten

Angesichts von 2.250 eingereichten Unterschriften und auch von 250 Menschen, die im Juni bei großer Hitze für den Radweg im Krottenbachtal demonstrierten, hat die Stadt Wien erkannt, dass etwas geschehen muss. Es freut uns, dass die Stadtverwaltung bereits aktiv bei der Umsetzungsplanung ist. Als Radeln in Döbling unterstützen wir jedenfalls alle, die am Finden einer Lösung interessiert sind und bringen dazu Lösungsvorschläge ein.

Die Krottenbachstraße soll jedenfalls als Hauptradroute ohne Umwege geplant werden. Zusätzlich sind „Grätzellösungen“ im Umfeld, etwa mit geöffneten Einbahnen willkommen. Denn als diejenigen, die lokal im Grätzel einkaufen, die diese Wege täglich in Arbeit, Freizeit oder Schule nützen, wollen wir Wege, die sicher sind und alltagstauglich Radmobilität jungen bis älteren Menschen ermöglicht.

 

Konsensfähige Planung darf keine halbherzige Minimallösung sein

Das schlechteste Ergebnis einer „konsensfähigen“ Planung wäre eine, die weder von Alltagsradler*innen noch von Familien mit Kindern genutzt wird. Deswegen braucht es eigenständige Rad-Infrastruktur und keine halbherzige Minimallösung. Eine sichere Radverkehrsverbindung für alle Radfahrenden im Krottenbachtal und Anbindung in die Nachbarbezirke ist weiterhin unser gemeinsames Ziel. Dafür werden wir uns auch die kommenden Monate einsetzen – mit Deiner Hilfe – bis es endlich sichere Radwege in Döbling gibt.

 

„Einzigartige“ Situation im Petitionsausschuss: Ein Thema mehrere Petitionen

Sowohl die Mitglieder des Ausschusses, als auch all jene, die aufgefordert waren, Stellungnahmen einzureichen, hatten die Aufgabe, sich auf drei Petitionen – jedoch zu einem Thema – zu beziehen. Das führte dazu, dass inhaltlich bei den Stellungnahmen nicht immer differenziert wurde:

  • In der Petition „Radweg Krottenbachstraße jetzt“ geht es um einen baulich getrennten Radweg in beide Richtungen in der Krottenbachstraße, jedoch nicht um die Umsetzung der Machbarkeitsstudie. Auch die Obkirchergasse war nicht Gegenstand der Petition.
  • Jene Petitionen, die sich gegen einen Radweg aussprechen, beziehen sich dezidiert auf die Machbarkeitsstudie, die in ihrer Gesamtheit nie veröffentlicht wurde.

 

Ohne Planung, können auch keine Chancen erkannt werden

Noch vor einer Detailplanung wird zu einem Projekt Stellung bezogen, für das noch keine breitere Lösung gesucht wurde. Die Machbarkeitsstudie hat lediglich sehr grob Annahmen getroffen und damit noch keine Details zu den tatsächlichen Veränderungen ausgearbeitet. So wurde weder der gesamte Straßenquerschnitt der Krottenbachstraße in der Machbarkeitsstudie einbezogen, noch alternative Stellplatz Logiken geprüft.

 

Über den Hackenberg einkaufen fahren?
Über den Friedhof Döbling ins Krim Viertel?

Interessant waren die Nachfragen von einzelnen Ausschuss Mitgliedern zu Alternativrouten. Wer die Topografie im 19. Bezirk nicht kennt, kann auf die Idee kommen, dass auch die Hartäckerstraße oder der Hackenberg tolle Alternativen sind. Wer hier lebt, der weiß wie unrealistisch diese für Alltagsradler sind. Das Krottenbachtal kann damit nicht erschlossen werden – dort leben die meisten Menschen, dort sind die meisten Geschäfte, die man erreichen muss.

 

Die Stellungnahmen im Detail

  • VCÖ – Mobilität mit Zukunft: unterstützt die Planung zum Bau eines qualitativ hochwertigen Radwegs in der Krottenbachstraße.
  • Mobilitätsagentur Wien: verweist auf die bereits aufgenommenen Planungen der Stadt Wien, um das Gebiet der Krottenbachstraße an das Hauptradverkehrsnetz anzuschließen.
  • Landespolizeidirektion Wien: weist darauf hin, dass auf die „Aufrechterhaltung der Sicherheit, Flüssigkeit und Leichtigkeit des Verkehrs Bedacht genommen werden muss“. Und: „…dass eine Umsetzung der Radwegepläne nur unter Einschränkung anderer Verkehrsteilnehmer möglich erscheint“.
  • Stadtratsbüro für Innovation, Stadtplanung und Mobilität: merkt an, dass aktuell Varianten überprüft werden, um auf die Anliegen der verschiedenen Interessensgruppen einzugehen – mit Blick auf das Grätzel insgesamt und auf parallele Straßenzüge.
  • ARBÖ: zitiert in der Stellungnahme ausschließlich die Argumente der Petition gegen den Radweg und spricht sich gegen eine sichere Radfahrinfrastruktur aus.
  • ÖAMTC: Für den ÖAMTC ist zwar der Wunsch nach einer Radfahranlage nachvollziehbar, aufgrund von Problemstellen und Herausforderungen, die sich bei näherer Betrachtung ergeben weist der ÖAMTC darauf hin, dass sich eine Radfahranlage gemäß dem Stand der Technik gemäß RVS nur mit einem entsprechenden finanziellen Aufwand realisierbar ist. Sollten die Ersatz- und Ausweichstellplätze nicht im erforderlichen Ausmaß gewährleistet werden können, stimmt der ÖAMTC den Radwegeplänen nicht zu.
  • Wiener Linien: Stehen in ihrer Stellungnahme der Petition neutral gegenüber.
  • WKO Wien: Bezieht sich großteils auf die Obkirchergasse und die Bedenken der Gewerbetreibenden und spricht sich bzgl. Krottenbachstraße gegen eine Umsetzung der Machbarkeitsstudie aus aufgrund vorhandener Ladezonen, Erschwernis für Zustelldienste und Stellplatzverlust.
  • Bezirksvorsteher Daniel Resch: Spricht sich gegen die Umsetzung der Machbarkeitsstudie aus und verweist vor allem auf den Stellplatzverlust und die Interessen der Gewerbetreibenden.

 

Unser Kommentar im Petitionsausschuss zu den Stellungnahmen

Damit wurde in etlichen Stellungnahmen die Chancen nicht erkannt, die sich durch eine baulich getrennte Führung des Radverkehrs ergeben. Bei den Wiener Linien würden die Fahrgäste des 35A deutlich profitieren. Schwierige Überholvorgänge von Radfahrenden würden entfallen, die Busse durch optimale Haltestellengestaltung beschleunigt werden und durch die Positionierung der Haltestellen zu Ampeln die Busse mit automatischem Grün rascher ausfahren können.

Die LPD Wien dürfte in ihrer Stellungnahme unter „Verkehr“ nur den Kfz-Verkehr verstehen: Denn bei einer umfassenden Sichtweise von „Verkehr“ wird sehr wohl die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit für alle Verkehrsteilnehmenden erhöht. Selbst die WKO hat das erkannt.

Enttäuscht waren wir von der Stellungnahme des ARBÖ. Aus einer vermeintlichen Windschutzscheibenperspektive wurden unreflektiert die Gegenargumente übernommen. Sich generell gegen ein Radwegeprojekt auszusprechen ist zwar eines Auto- und Motor- aber nicht Radfahrbundes würdig.

Die Ablehnung eines Radwegs durch WKO Wien und Bezirksvorsteher Daniel Resch bezieht sich dezidiert auf die Umsetzung der Machbarkeitsstudie. Es wird auch mit der Obkirchergasse argumentiert, die nicht Teil der Petition war.

Dem Kosten-Argument des ÖAMTC bezüglich Radwegbau kann entgegengehalten werden, dass im Wiener Radwegbudget weitaus mehr budgetiert ist, als aktuell abgerufen wird. Nicht zu vergessen sind die Kosten, die unsere Kinder und Kindeskinder bezahlen werden, wenn wir nicht zukunftsfähigen Handeln. 14.000 Forscher warnen aktuelle vor dem „Klimanotfall“. Das „Stellplatzverlust-Argument“ betrifft ausschließlich das Gebiet mit hoher Stellplatzauslastung und rund 90 Stellplätze im „Kerngebiet“ des Krottenbachtals.