Radeln in Döbling bringt Bezirksparteien und Wissenschaft zum Krottenbach-Radweg an einen Tisch

Die Bürgerinitiativen Radeln in Döbling und geht-doch.wien luden am 19. Jänner zu einer Podiumsdiskussion. Das erklärte Ziel nannte Moderatorin Verena Kainrath vom Standard zu Beginn: ein sachlicher Meinungsaustausch.

 

Fakten zur Krottenbachstraße

Im Einzugsgebiet entlang der Krottenbachstraße wohnen 28.000 Menschen, es gibt dutzende Nahversorger und Schulen an der Straße, jährlich verzeichnet man über 15 Verkehrsunfälle mit Personenschaden. Peter Kühnberger von Radeln in Döbling resümierte: „Ein gefährliches Pflaster. Dabei ist die Krottenbachstraße 22 Meter breit, dieser enorme Straßenquerschnitt wurde in der Machbarkeitsstudie nicht genützt. 2023 werden die Wasserleitungen erneuert, daher ist Handlungsbedarf.“ Das Potenzial für einen baulich getrennten Radweg in der Krottenbachstraße wurde in der Machbarkeitsstudie von 2020 mit 1.450 Radfahrten pro Tag angegeben. Hanna Schwarz von geht-doch.wien bestätigte: „Zu Fuß gehen und Radfahren gehört zusammengedacht, weil es ist leise, klimaschonend und platzsparend.“ Sie wies auch darauf hin, dass Autos durchschnittlich 23 Stunden stehen, hier werde Platz für die Allgemeinheit einseitig vergeben und klärte auf, dass ein baulich getrennter Radweg auch für Fußgänger*innen den Gehweg sicherer macht.

 

Wissenschaft verweist auf Sicherheitsproblem, Gesundheitspotenzial, fehlendes Angebot

Es folgten drei Präsentationen aus der Wissenschaft. In Österreich ist die Wahrscheinlichkeit, als Radfahrender im Verkehr zu sterben, doppelt so hoch wie in Skandinavien, Deutschland, Frankreich oder Belgien. Die Zahl der verunglückten Radfahrenden stieg hierzulande seit 2012 um 42%, während bei den übrigen Verkehrsteilnehmenden die Zahl der Verungückten in diesem Zeitraum gesunken ist. Dazu Klaus Robatsch vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV): „Geschwindigkeit ist generell ein Problem. Wir brauchen ein zusammenhängendes Radwegenetz, es ist nur eine Frage des politischen Willens.“ Er verwies auf neue Richtlinien im Straßenbau, die nächsten Monat kommen sollen, etwa mit Mindestbreiten von Radwegen. Die Präsentation von Klaus Robatsch kann hier runtergeladen werden (nicht vom Titel der Startfolie irritieren lassen).

Sport und aktive Mobilität sind gesund, der Wechsel auf Rad oder Öffis spart auch viel CO2, dazu präsentierte Hanns Mooshammer von der MedUni Wien Gesundheitsstudien: „Radfahren ist gesund, wir müssen jedoch die Probleme Verkehrssicherheit und Luftqualität angehen.“ Insgesamt überwiegen die positiven Effekte und verlängern die Lebenserwartung um fast ein Jahr. Der Vortrag von Hanns Moshammer kann hier runtergeladen werden.

Wie man weniger Geübte zum Radfahren bringen kann, erklärte Astrid Gühnemann, Universität für Bodenkultur: „Sichere, breite und durchgängige Radwege ohne Umwege. In Döbling fehlt dieses Angebot.“ Nach Untersuchungen der BOKU sei der größte Faktor, warum Menschen sich nicht trauen mit dem Rad zu fahren, die Geschwindigkeitsdifferenz und nicht die Verkehrsmenge. Gühnemann empfahl auch, die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum zu erhöhen, das steigere die Umsätze im Einzelhandel. Dazu merkte sie an, dass parkende Autos in Wien im internationalen Vergleich einen hohen Anteil im Straßenraum haben.

 

Politik mit Pro und Contra

Im zweiten Teil kam die Politik zu Wort, das Publikum konnte im Chat Fragen stellen. Bezirksvorsteher Daniel Resch (ÖVP) plädierte dafür, Parkplätze zu erhalten: „Ich muss alle Interessen unter einen Hut bringen und bin gespannt auf Alternativen, die geprüft werden.“ Die Krottenbachstraße sehe er weniger als Einkaufsstraße, sondern wo Menschen wohnen. Die derzeit 13.000 Fahrzeuge täglich seien viel Durchzugsverkehr und der würde bleiben. Auf die Frage nach einem Zeitplan für den Krottenbach-Radweg meinte er, der Ball liege bei der Stadt Wien, man warte auf neue Pläne. Den Radweg Krottenbachstraße befürwortete Bezirksvorsteher Stv. Thomas Mader (SPÖ): „Der öffentliche Raum muss fair verteilt werden. Ich fordere alle auf, konstruktiv nach Lösungen zu suchen.“ Der SPÖ sei ein familienfreundliches Döbling wichtig mit Grünpflanzungen fürs Klima und einem Radwegenetz. Das Bad im Hugo-Wolf-Park, das aktuell saniert wird, sollen Kinder mit dem Fahrrad sicher erreichen können.

Angelika Pipal-Leixner (NEOS) erklärte, es gäbe genug Budget der Stadt Wien, das sei für Rad-Infrastruktur um 20 Mio. Euro erhöht worden: „Radwegbau ist doch Angebotspolitik. Wenn ich keine baue, dann gibt es eben auch nur wenig Radfahrende. Schade, dass wir immer auf die Parkplatzdiskussion kommen. KFZ wird mehr Platz zugestanden, als sie aufgrund des Modalsplits haben dürften.“ Sie forderte eine Erhebung der Auslastung der Parkplätze, das habe im 7. Bezirk gut funktioniert. Klemens Resch (FPÖ) hielt dagegen: „Parkplätze wegstreichen ist kein Zugang, daher lehnen wir den Radweg Krottenbachstraße ab.“ „Alle von 8 bis 80 Jahren sollen sicher täglich mit dem Rad unterwegs sein können. Stadtregierung, Bezirk und Magistrat müssten an einem Strang ziehen“, appellierte Peter Kristöfel von den Grünen. Aufgrund des massiven Durchzugsverkehr in der Krottenbachstraße dürfe das Denken nicht an der Bezirksgrenze aufhören.

 

Diskurs soll weitergehen, klares Publikums-Voting für sicheren Radweg

Alle Fragen konnten in den zwei Stunden nicht beantwortet werden. Die vielen Kommentare im Chat zeigen klar: hier ist Diskussionsbedarf seitens der Döblinger Bevölkerung. Aus zahlreichen Teilen des Bezirks kamen Nachrichten, sie würden sich wegen fehlender Radwege nicht trauen, mit dem Rad zu fahren und schon gar nicht ihre Kinder fahren lassen, obwohl die eigentlich eigenständig mobil sein sollten. Andere bestätigten, das Rad sei ihr Verkehrsmittel im Alltag und wenn man mehr Radanteil wolle, müsse die Politik endlich Infrastruktur dafür schaffen. Anrainer der Krottenbachstraße schrieben, man solle sie in den Mittelpunkt stellen und nicht den Durchzugsverkehr. Auch die Klimakrise war oft Thema: man müsse Autoverkehr und damit CO2 reduzieren, die Politik solle endlich handeln, man komme auch ohne Auto gut in die City. Ganz oft kam die Frage nach einer Studie über die Auslastung von Parkplätzen und Garagen, viele berichteten von freien Plätzen. Zu Fuß Gehende bemängelten, dass es auf der Krottenbachstraße zu wenig Zebrastreifen gibt. Mit wiederholten Fragen nach einem Zeitplan zur Umsetzung des Krottenbach-Radwegs war viel Ungeduld zu spüren; ebenso mit Feststellungen, wie wenig in den letzten Jahren für Radfahrende im Bezirk getan worden ist, obwohl der Bedarf an direkten Radverbindungen erheblich gestiegen ist. Mit großem Interesse wurden die Vorträge der Expert*innen und die Diskussion aufgenommen, viele wünschten sich, selbst zu Wort zu kommen bzw. dass Radeln in Döbling weiterhin dranbleibt.

Wie man alle konstruktiv einbinden kann, empfahl Astrid Gühnemann: “Für Konfliktpunkte braucht man Datengrundlagen. Dann muss man schauen wer betroffen ist und ob man einen Ausgleich schaffen kann. Man sollte auch in Kleingruppen im Bezirk mit allen reden und die Ideen weiterentwickeln.“

In der abschließenden Umfrage gaben die Döblingerinnen und Döblinger der Politik einen klaren Auftrag mit:

  • 98% befürworten, dass an einer Lösung für einen baulich getrennten sicheren Radweg auf der Krottenbachstraße gearbeitet wird.
  • 94% würden häufiger mit dem Rad zu Arbeit, Ausbildung, Einkauf fahren, wenn es diesen sicheren Radweg auf der Krottenbachstraße gibt.

Stellvertretend für das große Team von Radeln in Döbling bedankte sich Peter Kühnberger bei allen, die dabei waren. Es brauche fachlichen Dialog so wie heute, öffentlich einsehbare Studien und transparente Entscheidungsfindung. Man werde gerne die Lösungsfindung unterstützen.

Fazit Astrid Gühnemann - Inst. für Verkewhrswesen (CC) Radeln in Döbling

Fazit Astrid Gühnemann – Inst. für Verkehrswesen (CC) Radeln in Döbling